👊🏼 Gewalt gegen Rehabilitand:innen?

Karikatur des Inklusionsvogels Müselmulm zur Gewalt in Werkstätten für behinderte Menschen – mit Schild ‚Ich war nie der Störenfried‘, im Hintergrund ein Gebäude der Stiftung Bethesda.

Erinnerungen aus der Rheinwerkstatt Boppard

🔥 Ich konnte nicht aufhören

Acht Jahre lang war ich Teil einer Werkstatt für behinderte Menschen, in der es zu struktureller Gewalt kam.

Die Rheinwerkstatt Boppard, Teil der
👉🏼 Stiftung Bethesda St. Martin
, war für uns nicht nur ein Ort der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme – sie war über Jahre hinweg eine Realität aus Schweigen, Einschüchterung und Kontrolle.

Ich habe mich oft gefragt, ob ich übertreibe. Ob ich vielleicht wirklich das Problem bin, wie man mir immer wieder glauben machen wollte.
Aber ich konnte nicht aufhören. Weil ich wusste: Wenn ich jetzt schweige, mache ich mich mitverantwortlich für etwas, das nicht mehr nur uns betrifft – sondern viele:

→ Gewalt in Werkstätten für behinderte Menschen.

👁️ Ich habe gesehen, was man nicht sehen wollte

Ich habe gesehen, wie Bethesda, eine Einrichtung unter dem Dach der 👉🏼 Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, auf sexualisierte Gewalt reagiert hat – nämlich mit administrativem Rückzug statt Aufarbeitung.

Wie die 👉🏼 Rheinwerkstatt nach innen abschottete, statt zu reflektieren.

Ich habe gesehen, wie Leitungspersonen ohne erkennbare pädagogische Kompetenz sich selbst als Vorbilder inszenierten, während Menschen mit Behinderung wie Objekte behandelt wurden.
Mehr über „Die Macht der Halbgebildeten“ in 👇🏼 diesem Beitrag.

Ich habe gesehen, wie Janina – meine Partnerin und direkt Betroffene sexualisierter Gewalt – nie eine strukturierte Nachsorge erhielt. Wie in der Rehabilitandenakte jeder Hinweis auf die Vorfälle fehlte. Wie Menschen, die eigentlich begleiten sollten, stattdessen verwaltet, verdrängt, vergessen haben.

⚠️ Einschüchterung und das Spiel mit der Angst

Zweimal wurde ich angezeigt. Einmal von einem Gruppenleiter der Werbetechnik in der Rheinwerkstatt – wegen angeblicher Beleidigung, nachdem ich mich kritisch über sein Verhalten geäußert hatte. Und ein weiteres Mal – deutlich später – vom ehemaligen pädagogischen Leiter der Einrichtung.

Dieser war 2022 fristlos entlassen worden, nachdem meine Partnerin den Mut gefunden hatte, sich an die Polizei zu wenden und die sexualisierten Übergriffe anzuzeigen, die ihr durch ihn in der Anfangszeit ihrer Maßnahme widerfahren waren.

2024 schrieb ich ihn privat an – respektvoll, aber bestimmt. Ich forderte ihn auf, sich bei Janina aufrichtig zu entschuldigen und Verantwortung zu übernehmen – auch durch ein Angebot der Entschädigung. Dem Schreiben legte ich eine satirisch gestaltete Grafik bei, in der ich den institutionellen Umgang mit dem Geschehen kritisch, aber pointiert kommentierte.

Auch diese Anzeige blieb ohne Folgen – die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren umgehend ein.

Was für mich blieb, war das altbekannte Gefühl: Es ging nie um Klärung. Es ging darum, mich zum Schweigen zu bringen.

Ich wurde mehrfach daran erinnert, dass man meine emotionalen Mails gespeichert habe. Dass ich aufpassen solle, wie ich mich äußere. Dass ich es mit Bethesda zu tun habe – mit Menschen, die wissen, wie man Macht organisiert.

Ich bedauere, dass meine E-Mails teilweise emotional und zugespitzt waren. Aber ich bedaure sie nicht im Inhalt, sondern in der Form. Denn meine Worte spiegelten eine Verzweiflung wider, die entstanden ist, weil ich auf respektvolle und sachliche Kommunikation keine Reaktion erhielt.

Ich habe kritisiert. Scharf, vielleicht zu scharf. Aber wahrhaftig.

🫥 Janina – und der stille Schaden, der bleibt

Janina glaubte lange, sie sei schuld.

    ➢ Schuld an dem, was ihr angetan wurde.
    ➢ Schuld daran, dass niemand reagierte.
    ➢ Schuld daran, dass sie keine Hilfe bekam.

Sie glaubte, was das System ihr nie explizit sagte – aber ständig vermittelte: „Sei still. Sei dankbar. Sei froh, dass du überhaupt hier sein darfst.“

Diese Form von Gewalt in einer Werkstatt für behinderte Menschen ist nicht laut. Sie ist strukturell. Und sie wirkt tief. Mehr über diese „Stumme Gewalt“ in unserem Beitrag über 👇🏼 Gaslighting im System WfbM.

⏳ Acht verlorene Jahre

Wir sprechen hier nicht von Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz. Wir sprechen von systematischer Kränkung, psychischer Belastung, Klinikaufenthalten, Suizidgedanken.

Wir sprechen von acht Jahren, in denen statt Teilhabe das Gefühl von Abhängigkeit, statt Reha das Gefühl von Erniedrigung blieb.

    ➢ Bethesda spricht gern von Nächstenliebe und Inklusion.
    ➢ Wir sprechen von Realität. Und sie sieht anders aus.

💬 Und heute?

Heute rede ich.
Nicht, weil ich Recht haben will. Sondern, weil ich die Wahrheit zu lange mitgetragen habe.

Ich war nie der Störenfried. Ich war das Alarmsignal, das sie ignoriert haben – so lange, bis das Feuer durch die Ritzen drang.

Ich weiß nicht, ob jemals Gerechtigkeit kommen wird. Aber ich weiß: Ich werde nie wieder schweigen.

Rheinwerkstatt, Stiftung Bethesda St. Martin – Ihr könnt versuchen, zu kontrollieren, was öffentlich wird.
Aber ihr werdet nicht kontrollieren können, was Menschen fühlen, die eure Sprache nicht mehr glauben.

🕰️ Wie lange kann man noch schweigen?

Ich frage mich, wie lange sich Bethesda noch leisten kann, auf all das nicht zu reagieren.

Denn irgendwann ist das Schweigen nicht mehr Schutz – sondern Schuldeingeständnis.

🗣️ Und du?

Hast du Ähnliches erlebt? Wurdest du in einer Werkstatt für behinderte Menschen ignoriert, übergangen, entmutigt?

Wurden deine Grenzen nicht geachtet – oder dein Schweigen zu lange als Zustimmung gelesen?

Dann möchte ich dich ermutigen: Sprich. Schreib. Melde dich.

Nicht, weil du Beweise liefern musst. Sondern weil deine Geschichte zählt – egal, ob sie laut war oder lange im Innern geschlummert hat.

Ich weiß, wie viel Überwindung es kosten kann, sich zu zeigen. Aber ich weiß auch: Das Schweigen schützt nicht uns – es schützt die Strukturen, die uns verletzt haben.

Hier auf meiner Seite ist Raum.
    ➢ Raum für Erinnerungen.
    ➢ Raum für Wut.
    ➢ Raum für deine Stimme.

💬 Wenn du magst, schreib mir. Kommentiere.

Teile deine Erfahrung – anonym oder offen.

Denn je mehr wir sind, desto weniger können sie übersehen. Und je klarer wir sprechen, desto schwerer wiegt ihr Schweigen.

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2 Antworten

  1. Lieber berichtender, habe Eure Seite heute erst entdeckt und muss mich noch mal äußern! Danke für euren offenen Worte! Habe wie in einem anderen Kommentar geschrieben ähnliches Erlebt-mit Kirche – mit „Anerkennung leid“
    Hätte dazu sehr viel zu sagen und würde mich gerne austauschen. Eine meiner Konsequenzen war aus der Kirche auszutreten als gläubiger christ.weil ich beidem ganzen Umgang der ev. Kirche mit Trauma und Missbrauchsfolgen gemerkt habe (durch den Schmerz,der retraumatisierung) wie Lieblos viele dort wirklich sind und nur noch Fassade, hohl….eine sich dem Zeitgeist anbiedernde Kirche die geistlich von Jesus und dem Evangelium abgerückt ist .
    Die großen in den letzten 200 Jahren gewachsenen Diakonischen Einrichtungen die tatsächlich in ihrer zeit der christlichen Nächstenliebe gewidmet waren sind nur noch im Rumpf vorhanden .Die Menschen die darin arbeiten
    sind viele Weltkinder oft schein.christen, namen-Christen die oftmals noch nie(und dafür können sie oft nichts )das wahre echte Evangelium gehört haben. denn die Kirchen sind -seit dem zweiten weltkrieg mit der vernachlässigten inneren Mission und der liberalen Theologie insbesondere durch Bultmann der Lehre die in der Bibel treulich
    weitertransportiert wurde , entfremdet und nachlässig geworden.
    Immer dem Schmerz nach war meine Devise denn er führte mich immer zu unliebsamen aber: Wahrheiten.
    Doch Wahrheiten können frei machen auch wenn es weh tut.
    Ich glaube an Jesus habe seine Liebe Hilfe und Rettung oftmals in den vergangenen 30 Jahren eines schweren traumabestimmten lebens erfahren dürfen und lernte das zu trennen: Jesus Wirklichkeit und Wahrheit und da die Kirche als menschliche Konstruktion in der Welt .Ich persönlich folgte dann dem Ruf :“Geht heraus aus ihr mein Volk…“Offenbarung 18,vers 4 – und bin aus der Kirche ausgetreten. Dank Jesu Hilfe bin ich weitesgehend geheilt.
    Ich glaube auch das er bald kommt. herzliche grüße FRieda

    1. Liebe Frieda,

      herzlichen Dank für deinen weiteren Kommentar – und für dein Vertrauen, dich hier so offen mitzuteilen.

      Es berührt uns, mit wie viel Klarheit und zugleich Verletzlichkeit du über deine Erfahrungen sprichst. Auch wenn unser Zugang ein anderer ist, teilen wir viele deiner Beobachtungen: Wie sehr sich Strukturen manchmal von ihren ursprünglichen Werten entfernen. Wie schmerzhaft es ist, wenn Institutionen – ob kirchlich oder diakonisch – gerade dort versagen, wo Schutz und Menschlichkeit gefragt wären.

      Wir finden es stark, dass du deinen eigenen Weg gefunden hast. Dass du trotz aller Enttäuschungen deinen Glauben behalten hast – und deine Stimme. Und dass du hier Raum dafür suchst und nutzt.

      Auch wenn unsere Wege sich vielleicht in Ausdruck und Hintergrund unterscheiden – im Kern geht es uns beiden um etwas sehr Ähnliches: darum, dass Wahrheit gehört wird und dass Verletzungen nicht länger übergangen werden.

      Danke, dass du hier bist.
      Herzliche Grüße
      Mathias & Janina

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