Inklusion bedeutet, alle Menschen ernst zu nehmen – auch dann, wenn ihre Erfahrungen unbequem sind. – Besonders dann.
Die 👉🏼 ForuM-Studie, veröffentlicht im Januar 2024, ist ein bedeutender Meilenstein auf dem Weg zur Anerkennung, Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie.
📚 Ein Forschungsprojekt mit historischem Gewicht
Mit dem Projekt „Forschung zu sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ (ForuM) sollte das geschehen, woran es jahrzehntelang fehlte: eine strukturierte, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung des Leids, das viele Menschen innerhalb kirchlicher Kontexte erfahren mussten. Untersucht wurde der Zeitraum von 1946 bis 2020. Die Ergebnisse sind erschütternd – und gleichzeitig notwendig.📊 Was die Studie zeigt
Die ForuM-Studie dokumentiert:
- 2 225 Betroffene und 1 259 Beschuldigte – mit der Einschätzung, dass die reale Zahl der Betroffenen deutlich höher liegt (Schätzungen: mind. 9 355 Fälle).
- Der Altersdurchschnitt der betroffenen Personen lag bei etwa 11 Jahren zum Zeitpunkt des ersten Übergriffs.
- Täter waren überwiegend männlich, oft in leitender oder seelsorgerischer Position – im Durchschnitt 39 Jahre alt.
🧠 Tiefer Blick in Strukturen
Die Studie bleibt nicht bei Zahlen stehen. Sie beleuchtet auch strukturelle Bedingungen, die Missbrauch möglich gemacht oder verschleiert haben – etwa:
- eine überhöhte Selbstwahrnehmung der Kirche als moralischer Schutzraum,
- ein stark ausgeprägtes Harmoniebedürfnis, das Konflikte unterdrückte,
- das Fehlen klarer Verantwortungsstrukturen,
- und die teilweise systematische Blockierung von Aufklärung, etwa durch das Zurückhalten von Personalakten.
🫂 Der Weg zu einer inklusiven Haltung – was hat das mit Inklusion zu tun?
Sehr viel. Denn wer über Inklusion spricht, muss über Sichtbarkeit, Anerkennung und Partizipation sprechen – auch und gerade für jene, deren Stimmen zu lange zum Schweigen gebracht wurden.
Die ForuM-Studie bezieht Betroffene aktiv ein, lässt ihre Perspektiven hörbar werden und fordert, ihnen bei zukünftigen Prozessen eine gleichberechtigte Rolle zu geben.
→ Inklusion heißt hier: Macht abgeben, Strukturen hinterfragen, Verantwortung übernehmen.🛠️ Empfehlungen mit Konsequenz
Die Studie gibt 46 Handlungsempfehlungen – darunter:
- eine konsequente Kultur des Tabubruchs gegenüber sexualisierter Gewalt,
- die Entwicklung einheitlicher Standards für Prävention, Aufarbeitung und Beteiligung,
- sowie eine stärkere gesellschaftliche und institutionelle Selbstreflexion.
Fazit: Ein unbequemer, aber nötiger Schritt
Die ForuM-Studie ist keine Abrechnung, sondern ein Weckruf. Sie zeigt, dass echte Inklusion nicht bei der Einladung zur Teilhabe beginnt – sondern beim Anerkennen des Schmerzes, beim Benennen von Verantwortung, und beim konsequenten Handeln.
Wer Kirche als Ort der Gemeinschaft und des Schutzes ernst meint, muss den Mut haben, zurückzuschauen. Und dann den Blick nach vorn zu richten – gemeinsam, ehrlich und inklusiv.
🔚 Persönliche Anmerkung
Die ForuM-Studie formuliert große Worte und wichtige Ziele. Doch was meine Partnerin und ich im Moment ganz konkret erleben, steht leider im Kontrast dazu. Es vermittelt uns nicht den Eindruck, als würde die Diakonie die Ergebnisse der Studie wirklich beherzt aufnehmen – geschweige denn als Auftrag zum Wandel verstehen.
Was wir spüren, ist nicht konsequente Aufarbeitung, nicht hörendes Verstehen, nicht empathische Begleitung. Was wir erleben, ist eher das Gegenteil: ein System, das sich schwer tut mit Selbstkritik – und mit dem Mut, Verantwortung wirklich zu übernehmen.
Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass diese Studie nicht einfach in Schubladen verschwindet. Sondern dass sie gelesen, diskutiert und als das verstanden wird, was sie sein will: ein Anstoß für echten Wandel.